Mehr Reframing, bitte: Narrative, die uns wirklich bewegen
Nutzen wir heute schon die richtigen Worte, um Menschen zu motivieren, ihre alten Verhaltensweisen abzulegen und sich für ein besseres Morgen zu engagieren? Denn jetzt, wo die vielschichtige Dynamik des Wandels unsere etablierten Bezugssysteme fundamental in Frage stellt, gehen nicht wenige Menschen erst einmal in eine abwartende bis abweisende Haltung.
Der Paradigmenwechsel vollzieht sich in nahezu allen Bereichen, die lange als Garanten der Stabilität galten: von Mobilität und Digitalisierung über Bildung und Medienkonsum bis hin zu Sprache, Arbeitswelt, Sicherheit und Wertesystemen. Das Prinzip „Das war schon immer so.“ hat wohl ausgedient. Doch was tun gegen eine kollektive Trägheit, die auf lange Sicht auch Unternehmen und Geschäftsmodelle schädigt?
Sich auf etwas Neues einzulassen, ist uns Menschen leider nicht in die genetische Wiege gelegt. Unser kognitiver Apparat ist darauf ausgelegt, Anstrengungen zu minimieren und am Vertrauten festzuhalten. Hierbei kommt die sogenannte „Bestätigungsheuristik“ zum Tragen – ein mentaler Filter, der Informationen ausblendet oder uminterpretiert, wenn sie unserem etablierten Weltbild zuwiderlaufen.
Unternehmen und Organisationen stehen vor der Aufgabe, diese menschliche Eigenart stärker in ihre Strategien einzubeziehen. Die zentrale Frage lautet: Wie lassen sich Mitarbeitende, Kund*innen und weitere Stakeholder für innovative Verhaltensweisen gewinnen und zur aktiven Mitgestaltung einer zukunftsfähigen Gesellschaft motivieren?
Oberflächlich betrachtet erscheint die Lösung simpel: Das Neue muss reizvoller sein als das Gewohnte – und bequem zu erreichen. Doch angesichts der Tatsache, dass Transformationsprozesse oft erst langfristig Früchte tragen, bedarf es neuen Blickwinkeln und Weitsicht – durch Reframing.
Über etwas sprechen, ohne darüber zu sprechen
Reframing bedeutet, den „Rahmen“ zu ändern, in dem eine Situation gesehen wird. Rahmen können unsere Sicht eingrenzen oder erweitern. Ein Rahmen, der negativ besetzt ist, kann umgedeutet werden in einen, der positiv und lösungsorientiert ist.
Reframing zielt darauf ab:
- Komplexität aufzulösen
- Abstrakte Ziele in fühlbare Realität umzusetzen
- Persönliche Motive zu schaffen
Durch geschicktes Reframing können wir:
- Motivation für Veränderungen wecken
- Ein Gefühl von Sicherheit vermitteln
- Zuversicht in unseren eingeschlagenen Weg stärken
- Den Fokus auf die Vorteile legen
Die Methode hilft uns, unbequeme Transformationsprozesse in eine positive, zukunftsgerichtete Erfahrung umzudeuten. Selbst kontroverse Themen wie Nachhaltigkeit können aus neuen Perspektiven betrachtet und negative Assoziationen und Missverständnisse vermieden werden.
Gelungenes Reframing schafft es, innere Widerstände zu überwinden und mehrdeutige, negativ konnotierte Themen anzusprechen und ihnen Substanz und Relevanz zu verleihen. Kleine Kostprobe? Der oft strapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“ könnte durch die Formulierung „Regenerative Wirtschaft“ ersetzt werden – eine subtile Verschiebung, die aber den Kontext und die Absicht der Tätigkeit beinhaltet.
Reframing macht aktiv
Ursprünglich ist das (Re-)Framing eine Technik aus der Psychologie, die darauf abzielt, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen eine bestimmte Situation, ein Problem oder ein Ereignis wahrnehmen. Es geht um eine Neuinterpretation des Kontextes, um negative oder hinderliche Denkstrukturen in konstruktive Sichtweisen zu verändern.
Um Menschen für Veränderungen zu gewinnen, reicht die bloße Vermittlung von Informationen nicht aus. Vielmehr gilt es, diese Informationen in fesselnde und emotional ansprechende Narrative zu übersetzen – Geschichten, die sowohl das Herz berühren als auch die Köpfe anspringen lassen.
Dies bedeutet keineswegs, Probleme oder Risiken zu verschleiern. Im Gegenteil: Es wichtig, offen und ehrlich über die Gründe für den Wandel zu sprechen. Dennoch sollten die Vorteile dabei immer im Mittelpunkt stehen. Im Spannungsfeld zwischen Gewohnheit und Veränderung wiegt das „Wofür setzen wir uns ein?“ schwerer als das „Wogegen müssen wir vorgehen?“.
Kommunikation und Design spielen dabei eine wichtige Rolle. Unterhaltsame und verständliche Gestaltung hilft dabei, Komplexes aufzulockern und „verdaulich“ zu machen. Sodass die Angesprochenen wirklich Lust bekommen, sich mit den neuen Themen auseinanderzusetzen.
Formen des (Re-)Framings
Die Technik des (Re-)Framings bietet verschiedene Ansätze, um Sichtweisen und Einstellungen gezielt zu verändern:
- Loss- und Gain-Framing: Der Fokus wird vom Verlust auf den Gewinn verschoben.
Bsp.: „Wer aufhört zu rauchen, lebt länger.“ anstatt „Wer raucht, stirbt schneller.“ - Emphasis-Framing: Hier wird die Aufmerksamkeit auf spezifische Aspekte gelenkt, seien es positive oder negative.
Bsp.: „90 % der Wälder sind noch intakt.“ anstatt „10 % der Wälder wurden abgeholzt.“ - Kontext-Reframing: Eine neue Sichtweise verändert den gesamten Bezugsrahmen einer Situation.
Bsp.: „Konkurrenz ist ein Ansporn zur Innovation.“ anstatt „Konkurrenz ist eine Bedrohung.“
Reframing kann sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene angewandt werden:
Individuelle Ebene (subjektive, persönliche Vorteile):
„Mit deinem Kauf entscheidest du dich für ein nachhaltiges Produkt, welches dir langfristig Kosten spart und von hoher Qualität und Haltbarkeit ist.“ anstatt „Nachhaltige Produkte sind teurer.“
Gesellschaftliche Ebene (Gemeinschaftsgefühl und Verantwortung):
„Durch das Trennen von Müll kannst du wertvolle Ressourcen recyceln und zur Erhaltung unserer Umwelt beitragen.“ anstatt „Wenn du den Müll nicht trennst, schädigst du die Umwelt.“
Die „bösen“ Begriffe
Aktuelle Forschungen im Bereich der Nachhaltigkeitspsychologie offenbaren, dass bestimmte Begriffe in weiten Teilen der Gesellschaft mittlerweile negative Assoziationen hervorrufen. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und reichen von übermäßiger Komplexität über subjektive Bewertungen bis hin zu Unwissenheit, Überdruss, Ängsten und Vorurteilen. Auch soziale Dynamiken und kognitive Verzerrungen wie Bestätigungsfehler und Heuristiken spielen eine Rolle.
Wenn wir Menschen dazu bewegen möchten, ein Thema aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen, sollten wir diese betroffenen Begriffe umgehen und stattdessen auf differenzierende Umschreibungen zurückgreifen. Diese können gezielt den Mehrwert für die Angesprochenen hervorheben.
Einige Beispiele:
Vegan
Benennen wir lieber Genuss, Gesundheit, sich etwas gönnen oder einfach die konkreten Zutaten.
Secondhand
Verlegen wir den Fokus vom „ungeliebten Gebrauchten“ auf die positiven Gefühle, die mit dem Objekt verknüpft sind: pre-loved, Schnäppchen oder Minimalismus.
Grün
Verzichten wir auf die inflationäre Verwendung, da „grün“ meist nur an Naturthemen erinnert und überdies eine politische Dimension beinhaltet. Mögliche Alternativen sind z. B. umweltverträglich, verantwortungsbewusst oder ressourcenschonend.
Transformation
Welche positiven Aspekte bringt der Wandel? Nutzen könnte man Weiterentwicklung, Stabilität, Absicherung, ein besseres Morgen, Chancenreichtum, Risikomanagement, schrittweise Anpassung an neue Gegebenheiten, gemeinsame Gestaltung unserer Zukunft, Nutzen neuer Möglichkeiten für unser Wohlergehen usw.
Nachhaltig
Welcher greifbare Aspekt ist nachhaltig? Hier lohnt es sich, Projekte und Aspekte so konkret wie möglich anzusprechen und zu differenzieren: ressourcenschonende Produktionsmethoden, faire Handelsbeziehungen, sortenreine Verpackungen für eine optimale Verwertung in der Kreislaufwirtschaft, Präzisionslandwirtschaft mit GPS-gesteuerten Traktoren zur Reduzierung von Düngemitteln, Smartphones mit modularem Aufbau, inklusive Bildung in barrierefreien Schulen. Die konkreten Beispiele machen das abstrakte Konzept der Nachhaltigkeit greifbar und verständlich.
Negative Konnotationen
Es ist ratsam, die „V-Worte“ wie „Verzicht“, „Verbot“, „Vermeidung“ oder „Verlust“ zu umgehen. Das Reframing zielt darauf ab, Abschreckung zu vermeiden und Anziehung zu fördern. Denn der Mainstream entscheidet sich für Produkte oder Dienstleistungen aufgrund von Qualität, Genuss, Image und Ähnlichem. Daher sollten diese positiven Aspekte in den Vordergrund gestellt werden.
Ist (Re-)Framing Manipulation?
Darf man Menschen mit subtilen Methoden in eine bestimmte Richtung leiten? Tatsächlich bezieht sich die gezielte, mitunter verdeckte Einflussnahme in der Sprache auf den bewussten Einsatz sprachlicher Mittel, um Gedanken oder Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken – oft ohne vollständiges Bewusstsein der Beeinflussten.
Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich: Ähnlich wie Paul Watzlawicks Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ lässt sich Framing kaum vermeiden.
Jede Form der Kommunikation, ob intentional oder nicht, beinhaltet bereits eine gewisse Rahmung.
Unsere Weltsicht – geprägt durch Erfahrungen, Wissen und kulturelle Prägung – bestimmt unweigerlich, welchen Ausschnitt der Realität wir wahrnehmen und wie wir ihn interpretieren. Diese selektive Wahrnehmung spiegelt sich in unserer Sprache wider.
Reframing ist daher weniger als Manipulation zu verstehen, sondern vielmehr als bewusster Umgang mit der Tatsache, dass Sprache per se nie neutral sein kann. Es geht darum, implizite Frames, die oft negative oder hinderliche Assoziationen hervorrufen, durch konstruktivere zu ersetzen. Mit dem Ziel, neue Perspektiven zu eröffnen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ohne dabei die Fakten zu verzerren. Nutzen wir also Reframing als Werkzeug, um komplexe Themen wie Nachhaltigkeit zugänglicher und motivierender zu gestalten.
Die ethische Dimension des Reframing liegt somit in der Verantwortung des Kommunizierenden, dieses Instrument reflektiert und transparent einzusetzen. Es geht nicht darum, Fakten zu verschleiern, sondern sie in einen Kontext zu setzen, der konstruktives Denken und Handeln fördert.
Das Spiel mit der Sprache – ein Resümee
Wenngleich kein Allheilmittel, erweist sich Reframing als vielversprechender Ansatz, um den Weg zu einer nachhaltigeren Welt attraktiver zu gestalten. Für Unternehmen und Organisationen bietet die Methode die Möglichkeit, in ihrer Vorbildrolle den Diskurs über Veränderungen zu beleben und ihre Mitarbeitenden für konstruktives Handeln zu gewinnen.
Die Stärke des Reframing liegt in seiner Fähigkeit, die breite Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren. Neben motivierenden Erfolgsbeispielen, verbindenden Narrativen und visionären Impulsen ist es einer der Schlüssel, um Menschen für eine bessere Zukunft zu gewinnen – und das ohne erhobenen Zeigefinger.